Der 4-Quellen Weg, 23.August 2025
Den 4-Quellen Weg läuft man nicht an einem Tag. So oder so ähnlich klang es in einem Video über den 4-Quellen Weg. Das mich diese Worte noch Monate später einfach nicht loslassen wollten hätte ich echt nicht geglaubt. Aber durch solche Ereignisse und einem gewissen Hang zum Unmöglichen entstehen wohl oft diese Art von Projekten.
Vier Ursprünge, vier Flüsse, ein Bogen durch hochalpine Weite: Diese Route ist weniger ein Strich auf der Karte als ein Gespräch mit sich selbst, das mit jedem Höhenmeter ehrlicher wird.
Ich starte wie schon beim ersten Versuch 2023 früh und vom Oberalppass aus. Nur diesmal noch früher! Um 2 Uhr nachts klingelt der Wecker. Ich springe auf und schalte diesen so schnell wie möglich aus, um nicht den Zorn der anderen Gäste im Piz Calmon auf mich zu ziehen. Glücklicherweise liessen die Serviertöchter extra und nur für mich die Kaffeemaschine laufen damit ich vor dem Start meinen heissgeliebten Kaffee trinken konnte. Ja hier oben ist die Welt noch in Ordnung.
Dann ging es pünktlich um 3 Uhr los, raus in die dunkle Nacht und wenn ich sagte Dunkel, dann meinte ich auch Dunkel also stockdunkel. Doch es läuft, schon nach genau einer Stunde erreiche ich den Toma-See, die Quelle des Rheins. Kurzer Halt ein paar Bilder als Beweis und weiter geht’s. Der Weg führt mich vorbei an der Maighelshütte und den dazugehörigen Pass. Von dort aus streife ich kurz die Vermigelhütte und mache mich dann auch gleich auf in Richtung Sellapass. Dieser Pass hat es in sich, nicht nur das er mit über 2700 Meter der Höchste Punkt der Tour ist. Der Weg ist dazu noch anspruchsvoll und beschwerlich. Teilweise führt er über Steingeröllfelder wo an ein schnelles Vorrankommen gar nicht zu denken war. Doch jeder Pass ist auch mal geschafft und somit ging es im Anschluss wieder runter in Richtung Gotthardpass. Erste Pause, wie auch schon die letzten Male wartete Chrissi mit der Verpflegung am Gotthardpass, um mich wie so oft mit Essen und vor allem Getränke zu versorgen. Dann ging es auch schon weiter in Richtung Lucendropass auf dem kurz vor der Passhöhe die Quelle der Reuss schon auf mich wartete. Vielen von Euch ist diese Quelle sicher ein Begriff. War es nicht auch der Startpunkt unserer Reussstafette der LG Horn.
Auf der anderen Seite des Lucendropasses komme ich ins Bedrettotal, eines der schneereichsten Gebiete der Schweiz. Dieses Mal sogar ohne dabei mit Regen, Hagel und Sturm begrüsst zu werden. Der Weg bis zur Piansecco-Hütte ist überwiegend lauf bar lädt aber auch an der ein oder andere Stelle zum Verweilen und Geniessen der beeindruckenden Landschaft ein. Kurz vor der dritten Quelle, der Ticino erreiche ich meinen zweiten Verpflegungspunkt. Hier halte ich noch kurz inne, war es doch der Punkt, an dem ich 2023 beschlossen hatte, das Projekt zu beenden.
Wieder mit allem nötigen versorgt, ging es jetzt schnurstracks vorbei an der Quelle der Ticino hoch zum Nufenenpass. Zwar gab es hier nur etwa 450 Höhenmeter zu überwinden, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was im letzten Teil der Tour noch kommen sollte. Oben auf dem Pass angekommen ging es dann auch ohne grosse Umschweife auf den wohl heftigsten Downhill. Die nächsten Kilometer ging es dann Abwärts und das nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes. Cicra 1000 Oberschenkel zerstörende Höhenmeter am Stück runter bis nach Obergesteln. Ab hier werde ich von Chrissi per Velo ein Stück begleitet und diese moralische Unterstützung konnte ich zu diesem Zeitpunkt mehr als gebrauchen. Meine Oberschenkel hatten mir bereits die Freundschaft gekündigt und wer das Gebiet kennt, weiss was als nächstes kommt.
Der Aufstieg zum Furkapass!!! In Oberwald im Wallis angekommen, fülle ich zum letzten Mal meine Getränke auf, wechsle mein Outfit und rüste mich erneut mit Stöcken und Stirnlampe aus.
Dann geht es auch schon wieder weiter. Die ersten Kilometer hoch zum Furkapass kann man beruhigt noch als human bezeichnen, noch! Der Weg immer in der Nähe der tossenden, lauten Rohne welche mit voller Wucht ihr Wasser zu Tale peitscht, ist mehrheitlich mein Begleiter. Auch wenn man auf diese Art von Begleitung, nach 70 Kilometer gerne verzichten würde und am überlegen ist was man nicht alles für ein wenig Ruhe geben würde. Beim Aufstieg durchquere ich immer wieder eingezäunte Weiden mit Hinweisschildern auf denen steht: Achtung Mutterkuhherde
Ja es braucht zu diesem Zeitpunkt echt nicht viel, um voll in eine Krise zu geraten. Allein schon der Gedanke, dass man einer Mutterkuh begegnen könnte und deswegen ein paar extra Meter laufen muss, reicht vollkommen.
Aber das ist Ultratrail-Running und gehört irgendwie auch dazu.
Wie schon angetönt ziehen sich die letzten Kilometer hoch zum Pass wie Kaugummi und wenn es nicht schon genug wäre, gibt der Akku meiner Uhr dann auch noch zum grossen Glück bei Kilometer 76 den Geist auf. Aber naja dann laufen wir halt die letzten 5 Kilometer ohne Tracking. Oben beim Belvedere angekommen halte ich noch einmal kurz inne und wundere mich das um knapp 23 Uhr noch immer so viele Menschen hier oben sind. Ich esse meinen wohl verdienten Gipfelapfel und lasse mich dann mit einem Bier in der Hand auf den Beifahrersitz von Chrissis Auto plumpsen um dann ohne grosse Umwege die Heimfahrt beruhigt und auch mit ein wenig Stolz anzutreten.
Damit bin ich am Ende meines Abenteuers und kann Euch beruhigt mitteilen:Ja den Vier Quellen Weg kann man an einem Tag komplett laufen, aber es bleibt die Frage ob man das auch will.😊
Stefan Stiehl